Der polnisch-französische Filmregisseur Roman Polanski wird morgen 80

Aus seinem Leben müsste man eine Fernsehserie machen, ein einzelner Film reicht da nicht, so schlimm ist es: Er überlebt das Warschauer Ghetto, die deutschen Besatzer in Polen, dass seine Ehefrau in den USA von Fanatikern erschossen wird, dass er in den USA zu einer Haftstrafe wegen Sex an einer Minderjährigen verurteilt wird, die er nicht antritt, was ihn aber über 30 Jahre  später, mit 76, überraschend wieder einholt in der Schweiz mit Hausarrest und Fußfessel. Dazwischen liegen grandiose Filme, der letzte hatte im Mai in Cannes Premiere. Morgen wird Roman Polanski 80 Jahre alt.

Inzwischen kann der Mann, der am 18. August 1933 als Sohn polnischer Juden in Paris geboren wurde, ganz ruhig und locker über sein Leben sprechen, das ein einziger Albtraum ist. Er erinnert sich noch an das Warschauer Ghetto und an die Tricks, mit denen er überlebte. Er erinnert sich an die deutschen Soldaten, die ihn – nachdem er aus dem Ghetto geflohen war –  im Krieg als lebende Zielscheibe für sadistische Spielchen missbrauchten. Aber er erinnert sich auch an seine Tante, bei der er aufwuchs – nachdem die Eltern in verschiedene KZs gebracht hat worden waren: Sie ging viel ins Kino und nahm ihn immer mit. Dort sah Roman Nazi-Propagandafilme, aber auch schöne deutsche Filme wie der „Gasparone“ (1937, mit Johannes Heesters), die er mochte. Ein paar Worte Deutsch kann er heute auch noch: Es sind die Befehle  der Nazis.

Obwohl Polanski 1984 schon seine Memoiren veröffentlichte, erfährt man immer wieder Neues aus seinem Leben, das er bisher für sich behalten hat. Etwa, dass er über 50 war, als man ihm sagte, dass sein Vater noch lebte – und der dann nichts mit ihm zu tun haben wollte. Egal, was er erzählt – zuletzt in dem brillanten Dokumentarfilm „Roman Polanski: A Film Memoir“ (2012), angenehm ist es nie. Die vielen Enttäuschungen in seinem Leben kompensierte er durch seine Filme. Seit 1955 drehte er 35 Spielfilme, dazu Kurz- und Werbefilme, in manchen ist er auch als Schauspieler zu sehen. Selbst in seinen Genrefilmen steckt mehr Privates selbst in den unscheinbarsten Details, als man ahnt. Etwa, dass Nastassja Kinski, mit der 1979 das Kostümdrama „Tess“ drehte, am selben Tag Geburtstag hat wie seine 1969 ermordete Ehefrau Sharon Tate.  Dass Mia Farrow im Horrorfilmklassiker  „Rosemary’s Baby“ (1968) dieselben Kleider trug wie Sharon im realen Leben. Dass selbst allein in der Ausleuchtung der Szenen in der plakativen Horrorkomödie „Der Tanz der Vampire“ (1967) persönliche Ghetto-Erfahrungen stecken, aber mehr noch in dem nur auf den ersten Blick kalten und distanzierten Holocaust-Überlebens-Drama „Der Pianist“ (2002), der Polanski mit 69 Jahren endlich den Regie-Oscar einbrachte, für den er zuvor schon zweimal nominiert war.

Mord, Totschlag, Ängste, Flucht – das sind die Themen, die in all seinen bislang 35 Spielfilmen vorkommen, manchmal mit einem ironischen Touch wie in „Chinatown“ (1974, mit Jack Nicholson), „Piraten“ (1986, mit Walter Matthau) und dem Actionfilm „Frantic“ (1988, mit Harrison Ford), manchmal auch mit wilden Fantasy-Bildern durchsetzt wie in „Die 9. Pforte“ (1999, mit Johnny Depp) und zuletzt mit einer Lust an Rednern, die sich zerfleischen, wie in „Der Gott des Gemetzels“ (2011, mit Christoph Waltz) oder sich mit Anspielungen reizen wie in „Venus im Pelz“ (2013, noch nicht gestartet). Wie alle älteren Filmemacher, die ihr Handwerk meisterlich beherrschen, dreht Polanski seit einigen Jahren eher Theaterfilme statt Spezial-Effekt-Orgien. Das ist billiger und findet auch sein Publikum. Und er macht weiter, denn „ich habe noch nie einen Film gemacht, mit dem ich rundum zufrieden war“.