In der UFA-Ausstellung zum 100. Gründungstag feiert sich die Branche
Von F.-B. Habel
Im dritten Ausstellungsraum gibt es einen Blick in die Zukunft des Films. Dafür muss man allerdings unförmige Brillen aufsetzen, kann dafür aber bei einer Fahrt in Florida die Umgebung in 360° betrachten. Und in den Volumetrischen Film, in den man kurz vor dem Ausgang per Brille eintritt, spielt Herbert Knaup einen Regisseur alten Stils, dessen Darstellerin Franziska Brandmeier der Ausstellungsbesucher wortwörtlich über die Schulter schauen kann. Die 100jährige UFA ist eigentlich ganz jung – so das Fazit der Ausstellung.
Als die UFA zu ihrem 75. Bestehen mit einer großen Ausstellung im Berliner Zeughaus gefeiert wurde, waren viele Stars früherer Jahrzehnte gekommen – ich erinnere mich an die ungleichen Schwestern Camilla und Steffie Spira, und Dolly Haas kam gar aus den USA, wohin sie Mitte der dreißiger Jahre emigriert war. Zum 100. ist alles eine Nummer kleiner, sowohl die Ausstellung im Berliner Museum für Film und Fernsehen als auch die Promi-Dichte bei der Eröffnungsfeier. Schauspieler, auch die als heutige UFA-Stars in der Ausstellung herausgehobenen Dieter Hallervorden, Heino Ferch und Claudia Michelsen nicht. Wenigstens waren die Regisseure Nico Hofmann (in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der UFA GmbH), Roland Suso Richter („Ein starkes Team“) und Philipp Stölzl („Der Medicus“) erschienen.
Eigentlich besteht die UFA auch noch keine 100 Jahre, denn 1945 wurde sie von den Alliierten liquidiert und musste zehn Jahre pausieren, um dann als Neugründung wieder schlecht und recht auf die Beine zu kommen. Warum wird überhaupt gefeiert?
Das sagt der Name der Ausstellung: DIE UFA – Geschichte einer Marke. Die heutige UFA legt Wert darauf, als Marke in aller Munde zu sein und ist ein Hauptsponsor der Ausstellung. Für sie ist es willkommene Werbung, auch wenn ihr an der eigenen Geschichte nicht alles gefällt – vor allem nicht die alte Raute mit dem blau-roten Logo! Er soll hier so selten wie möglich auftauchen. Die UFA ist heute modern, vielleicht sogar trendy. Keine leichte Aufgabe für die Kuratorin Klaudia Wick bei ihrer ersten Ausstellung an diesem Haus! Sie hat das bei dem ersten teils schlauchartigen Ausstellungsraum so gelöst, dass an der rechten Wand die Objekte der alten UFA beginnend mit der Stummfilmzeit zu sehen sind. Man findet Originalplakate an den Wänden, Fotos, Preistrophäen, Briefe und Tagebücher in Vitrinen und originale Roben der politisch gegensätzlichen Diven Marlene Dietrich und Zarah Leander. Auf dem Rückweg geht man an der linken Wand entlang, wo die Ufa der letzten sechs Jahrzehnte mit der Betonung auf Fernsehfilme und -Shows präsentiert wird. So mancher wird bei der Begegnung mit Serien „Danni Lowinski“ oder einigen „SOKOs“, täglichen Seifenopern wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und „Verbotene Liebe“, beim Quiz „Wer weiß denn sowas“ und erst recht bei TV-Shows wie „Das Supertalent“ und „Deutschland sucht den Superstar“ erstaunt sein, dass auch dies UFA-Produktionen sind.
Dazwischen wird stolz darauf verwiesen, dass die UFA auch verkappte DEFA-Filme produziert hat. Tatsächlich war es ihr gelungen, ehemalige DDR-Künstler wie Manfred Krug, Frank Beyer und Jurek Becker heranzuziehen.
Aber war da nicht noch was? Hatte es vielleicht Gründe, dass die UFA mitten im Ersten Weltkrieg von der Deutschen Bank erstmals und zum zweiten Mal mitten im Kalten Krieg von der selben, keineswegs geläuterten Bank gegründet wurde? Dass Familie Mohn mit Bertelsmann die Marke UFA nutzte und kommerziell vorantrieb?
Hat es einen Grund, dass die heutigen UFA-Besitzer die Tradition der zwanziger bis vierziger Jahre heute als schmuddelig empfinden? Tatsächlich produzierte die UFA nicht nur formal und technisch Beispielhaftes wie Fritz Langs „Metropolis“ (mit einer fatalen Botschaft), sondern bereitete mit den Fridericus-Rex-Filmen schon in den zwanziger Jahren das geistige Klima vor, dass zum deutschen Faschismus führte. Die perfiden großen Propagandaschinken der Nazis wie „Jud Süß“ und „Kolberg“ waren UFA-Produktionen.
Sie werden in der Ausstellung nicht vergessen. Sie sind Teil der großen Buntheit, mit der die UFA zwischen Tonfilmoperette und Melodram aufzuwarten hat. Die eine oder andere Aufklärung über die politischen Dimensionen geben pauschale Schrifttafeln, und auch, wer die aufgestellten Monitore anklickt, kann verstreute Auskünfte erwarten. Im zweiten Raum gibt es eine Reihe von Sichtungsplätzen, an denen man nicht nur ganze Filme betrachten, sondern auch ausführliche Dokumentationen über die UFA sehen kann, um das nachzuholen, was im Hauptraum zu kurz kommt. Aber die Zeit nimmt sich wohl nicht jeder Besucher.
Wesentlich aufschlussreicher sind die beiden Bücher, die die Ausstellung begleiten. Der offizielle, reich bebilderte Katalog geht der UFA-Geschichte akribisch nach, wenngleich auch hier einige Themen, wie etwa die filmische Preußen-Beweihräucherung in der Weimarer Republik zu kurz kommen. (Der Film der Weimarer Republik, so Kinemathek-Chef Rainer Rother auf der Pressekonferenz, wird in der nächsten Berlinale-Retro noch eine Rolle spielen.)
Die Zeit des Faschismus behandelt eine gesonderte Publikation eingehend. Unter dem Motto „Linientreu und populär“ greifen sich mehrere Autoren Einzelthemen heraus. So hat Rainer Rother Dokumente des Konzerns ausgewertet und aufschlussreich kommentiert, geht Friedemann Beyer auf die Vorbereitung auf den NS-Film in der Ära Hugenberg ein, lässt Kay Hoffman dem oft unterschätzten „Kulturfilm“ aus dem Vorprogramm Gerechtigkeit widerfahren. Aufrüttelnd jedoch die Beiträge von Almuth Püschel und Jens Westemeier, die jeder ein kaum bekanntes Kapitel der UFA-Geschichte beschreiben: Zwangsarbeiter im Einsatz für die Filmgesellschaft. Für die Zwangsarbeit wurden Menschen, oft Frauen und Kinder, aus allen besetzten Gebieten in Deutschland eingesetzt, aber gerade die aus den Gebieten der Sowjetunion wurden als rassisch minderwertig eingestuft und lebten unter unmenschlichen Umständen – auch für die UFA. Püschel gibt das Beispiel einer Frau, deren beide Kinder das Arbeitslager nicht überlebten. Westemeier schildert detailliert den Weg eines niederländischen Zwangsarbeiters bei der UFA-Propagandaabteilung. Dieses Thema hätte deutlicher in der Ausstellung plaziert ein Gegengewicht zu allzu süßem Kleister bilden können.
DIE UFA – Geschichte einer Marke, Filmhaus am Potsdamer Platz, bis 22.4.2018, tgl. außer montags 10 – 18 Uhr
Peter Mänz, Rainer Rother, Klaudia Wick (Hg.), DIE UFA – Geschichte einer Marke, Kerber-Verlag Bielefeld, 200 S., zahlr. Abb., 36,- €
Rainer Rother, Vera Thomas, Linientreu und Populär – Das UFA-Imperium 1933-1945, Bertz + Fischer, Berlin 2017, 224 S., 48 Abb., 17,90 €