Unser Kollege Rolf-Rüdiger Hamacher vertrat die BVMJ in der Jury des 2022 erstmals verliehenen „Max Ophüls Preis: Preis der Filmkritik“. Die undotierte Auszeichnung wird für einen Spielfilm und eine dokumentarische Arbeit aus dem Programm vergeben.
Der Preis der Filmkritik: Bester Spielfilm 2022 an „Soul of a Beast“ von Lorenz Merz.
Begründung:
„Soul of a Beast“ ist ein fulminantes Werk, mit dem sich der Züricher Lorenz Merz zum zweiten Mal als Spielfilmregisseur präsentiert. Im Mittelpunkt steht der 19jährige Gabriel, ein liebevoller, alleinerziehender Vater eines zweijährigen Sohnes – und zudem ein leidenschaftlicher Skateboarder. Die pulsierende Stadt wirkt oft gewalttätig, hat atmosphärisch etwas Endzeitliches. Mit seinem draufgängerischen Freund Joel und mit dessen Freundin Corey bilden sie anfänglich ein unbeschwertes Trio – bis sich Gabriel und Corey ineinander verlieben. Als die Drei eines Nachts nach intensivem Drogenkonsum in den Zoo einbrechen, können einige Wildtiere entkommen. Die Stadt wird zur Sperrzone, was einer kriegsähnlichen Situation gleichkommt. Doch es ist die Liebe, die den Film immer wieder vorantreibt, die von Freude, Leid und Überlebenswillen genährt wird. „Soul of a Beast“ ist ein wuchtiger und teilweise beklemmender Film – mit starken Bildern, charismatischen Schauspielern und einem dynamisch-stimmigen Musik- und Sounddesign.
Der Preis der Filmkritik – Bester Dokumentarfilm 2022 geht an „Mayor, Shepherd, Widow, Dragon“ von Eliza Petkova.
Begründung:
Lange Einstellungen, ein exzellentes Gefühl für Raum und Zeit und ein objektiver und doch empathischer Blick kennzeichnen das Dokumentarfilmdebut der deutsch/bulgarischen Regisseurin Eliza Petkova. Ihre genau beobachtende Kamera zeichnet das Leben von drei Bewohnern eines Bergdorfes am Rand des Pirin-Gebirges auf, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Von den einstigen 1.800 Bewohnern ist nur mehr ein Zehntel im Dorf geblieben, hauptsächlich Witwen und ihre unverheirateten Söhne, die meisten jungen Leute suchen ihr Glück in den Städten oder gleich im Ausland. Der umtriebige Bürgermeister, dessen Suche nach einer Frau für melancholisch-komische Momente sorgt, die Witwe und ihr Sohn, die in symbiotischer Einheit sich dem langsamen Rhythmus des Dorflebens hingeben, und der Schäfer, der auf den Hügeln über die Vergänglichkeit des Lebens philosophiert, erscheinen wie Boten einer fernen Vergangenheit, in der das Leben sicherlich härter, aber auch strukturierter und näher an der Natur war. Eliza Petkova berichtet in dieser fein kadrierten Direct-Cinema-Hommage an ein aussterbendes Dorf ohne erhobenen Zeigefinger von den Mühen und Freuden von Menschen, deren Lebenswege sich tief in ihre manchmal müden und doch Lebensfreude ausstrahlenden Gesichter eingeprägt haben.
Die Auslobung des Preises geht auf eine Initiative des Schweizer Kritikerverbandes SVFJ und unseres Verbandes BVMJ zurück und soll künftig regelmäßig verliehen werden. Der dreiköpfigen Jury gehören Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz, der Austrian Film Critics‘ Guild AFCG sowie ein Vertreter aus den deutschen Verbänden VDFK oder BVMJ an.
Festivalleiterin Svenja Böttger: „Die Filmkritik ist nicht nur ein wichtiger Baustein in der Entwicklung der Filmkunst, für die Filmbildung und als Teil des Qualitätsjournalismus. Durch fundierte Auseinandersetzung mit filmischem Erzählen dient sie auch als Motor für soziokulturelle und filmästhetische Diskurse. Das
möchten wir mit den neuen Preisen hervorheben. Mit der Kooperation zwischen deutschen, österreichischen und Schweizer Filmkritikverbänden wird einmal mehr die Position des Filmfestivals Max Ophüls Preis als wichtige Plattform für den deutschsprachigen Filmnachwuchs gestärkt.“
Die Jury-Mitglieder:
Rolf-Rüdiger Hamacher (BVMJ): Er gründete 1979 das erste Aachener Programmkino Casablanca und übernahm 1986 das Kölner Programmkino Metropolis. Journalistisch tätig für Tageszeitungen, Film- und Musical-Magazine. Von 1997 bis 2015 war er Vorstandssprecher und Beiratsmitglied des Verbandes der deutschen Filmkritik. Zahlreiche Jury-Teilnahmen bei nationalen und internationalen Filmfestivals.
Madeleine Hirsiger (SVFJ): Sie arbeitete jahrelang für das Schweizer Fernsehen und war dort zuständig für ein Filmmagazin, u.a. auch für die Moderation. Zudem war sie verantwortlich für die Produktion von Fernsehfilmen und für die Koproduktionen von Spiel- und Dokumentarfilmen im freien Schweizer Filmschaffen. Seit einiger Zeit arbeitet sie als freie Filmkritikerin.
Günter Pscheider (AFCG): Publizistikstudium. Leiter des Filmcasino Wien und Moderator bei der Viennale. Er schrieb das Drehbuch zu „Der Kameramörder“ (2010). Seit der Gründung 2001 arbeitet er als Redakteur beim österreichischen Filmmagazin Ray.