Woody Allen wird 80 und dreht weiter beharrlich jedes Jahr einen Film – Manche sind grandios

Was haben Angelina Jolie, Shirley MacLaine und King Vidor gemeinsam – abgesehen davon, dass sie nie in einem Woody-Allen-Film auftauchten? Sie nahmen die vier Oscars für ihn entgegen, weil Woody Allen nie zur Verleihung ging. Denn es gibt Dinge, die ihm egal sind. Heute, da er 80 Jahre alt wird, erst recht.

„Das Leben hat nichts mit Kunst zu tun, es ist wie schlechtes Fernsehen“, sagt er. Seine Sprüche füllen Bücher, Filme, Bühnen und Bildschirme, denn der am 1. Dezember 1935 als Allen Stewart Konigsberg in New York geborene Mann begann als Gagschreiber für die Bühne, dann fürs Fernsehen. Bis ihm das zu wenig war, 1969 drehte er seinen ersten Kurzfilm. Zurzeit läuft seit 45. Spielfilm in den Kinos: „Irrational Man“, eine typische Woody-Allen-Komödie, in der sich ein Liebespaar das Leben unnötig schwer macht, weil der Mann mal wieder idiotische Dinge tut, sonst wäre es nicht witzig und nicht tragisch-philosophisch. Der sich selbst im Weg stehende Mann  ist das große Kontinuum in seinem umfangreichen Werk, denn eigentlich ist Woody Allen(den Namen gab er im Alter von 16 Jahren) wie Bob Dylan: Er erfindet sich immer neu.

Im Januar gab er Amazon den Zuschlag, eine Steaming-Serie zu drehen, sechsmal 30 Minuten. Obwohl er kein Fernsehen schaut, erst recht keine Serien, und von so modernem Zeug wie Streaming hat er auch keine Ahnung. Seine Drehbücher schreibt er nach wie vor auf einer altmodischen Schreibmaschine. Im Mai bereute er die Zusage zwar schon, aber Ende nächsten Jahres wird er garantiert vertragsgemäß etwas abliefern. Und sei es nur Schwarzfilm mit weißen Buchstaben – wie im Vorspann all seiner Filme – kombiniert mit der Musik, die er als mäßig begabter, aber seit Jahrzehnten umso leidenschaftlicher spielender  Jazz-Klarinettist jeden Montag mit seiner Band produziert.

Er hat absolut freie Hand, denn er einer der ganz großen Regisseure, die gar keinen schlechten Film drehen können, im schlimmsten Fall sind sie halt nur leicht überdurchschnittlich (wie „Irrational Man“, wo es um den perfekten Mord geht). Im besten Fall wie 2011 bei „Midnight in Paris“, dem größten finanziellen Erfolg seiner über 40-jährigen Karriere, sind sie einfach grandios. Auf die Idee mit der geheimnisvollen Treppe in Paris muss man erst mal kommen. Wer um Mitternacht dort steht, wird von einem Auto aus den 1920er Jahren abgeholt und reist automatisch zurück in diese Zeit mit Hemingway, Picasso, Renoir und den anderen Bohémiens. Und warum steht der junge Mann nachts an der Treppe? Natürlich weil  er sich mit seiner Frau langweilt und weil er ein hoffnungsloser Romantiker ist – wie Woody Allen.

In seinen Anfangsjahren war Allen noch mehr: ein hoffnungsloser nervöser Romantiker, der seine Freundinnen zulabert mit tollen intellektuellen Gedanken, und der selbst als Schauspieler in seinen Filmen dabei war. Der Mann mit der dunklen Hornbrille machte sich auch optisch zum Markenzeichen. Seine leicht nörgelnde Stimme gehörte dazu und sein stets labiler physischer Zustand. Der Mann leidet, weil er an nichts Gefallen findet, wissenschaftlich: Anhedonia. So hieß auch sein erster großer Erfolg 1977 – bis er nach dem Dreh merkte, dass die Geschichte sich anders entwickelte, dass nicht mehr er, sondern Diane Keaton, die seine Filmfreundin namens Annie Hall spielt, viel wichtiger ist, weil sie noch neurotischer ist. Gerade noch änderte er den seltsamen Filmtitel in „Annie Hall“. Doch der deutsche Verleih hatte eine noch bessere Idee: „Der Stadtneurotiker“. Dieser Titel und Woody Allen verschmolzen für immer. Vier Oscars. Aber Allen waren das egal. Auch dass er bis heute die Liste der Oscar-Nominierungen fürs Drehbuch (16) anführt, rührt ihn kein bisschen.

Bescheiden wie er ist, hält er Charlie Chaplin, Groucho Marx und W.C. Fields für große Komiker – und Ingmar Bergman für den größten Regisseur überhaupt.  „Ich wollte nie komische Filme machen, ich wollte ein ernster Dramatiker sein“, sagte Allen immer wieder. „Doch durch Zufall fand ich ziemlich früh heraus, dass ich für Komödien begabt war. Es fiel mir leicht, kam ganz natürlich“. Daran hat sich nichts geändert. So dreht Allen kontinuierlich jedes Jahr einen Film. In den 60er Jahren waren sie Slapstick-orientiert, in den 70ern New-York-betont, in den 80ern experimentierte er und erfand das Fake-Documentary mit nachgedrehten Aufnahmen, die alt und echt aussahen, in den 90ern nahmen in den Beziehungskomödien die Seitensprünge und die Morde zu. In den 2000er Jahren drehte er in Europa, was neuen Drive brachte, seit 2010 experimentiert er wieder, bleibt aber in Europa, wo seine größten Fans sitzen und man ihn mit Produktionsgeldern lockt – und wo der chaotische, verrückte Privatmann weniger Probleme hat als in Amerika, seit er vor fast 20 Jahren die 35 Jahre jüngere Adoptivtochter seiner Ex-Lebensgefährtin Mia Farrow heiratete.

Sein Herbstfilm für 2015 ist schon abgedreht (Bruce Willis spielt mit), die Amazon-Serie steht an. Kaum ist der eine Film fertig, denkt er an den nächsten. Warum, weiß er selber nicht: „Wo ist der Unterschied, ob ich 50 oder 100 Filme hinterlasse, nachdem ich weg bin?“ Lieber scherzt er über den Tod: „Ich bin absolut dagegen“. Aber er weiß auch: „Die Ewigkeit dauert lange – besonders gegen Ende“. So dreht er weiter, denn „die komplizierten Probleme, mit denen ich als Filmregisseur zu tun habe, beschäftigen meinen Geist, so habe ich nicht viel Zeit, um über die schrecklichen Realitäten des Lebens nachzudenken.“