Sex, Drogen, Exzentrik und drei Oscars: Heute wird Jack Nicholson 80
Das immer ein bisschen irre aussehende Gesicht, das Grinsen, kommt gar nicht so sehr von seinen Augen, es kommt eher von – seinen Zähnen! Je mehr Filme mit Jack Nicholson man sieht, umso klarer wird das. Heute wird der Hollywood-Star 80.
Ein Mann liegt mit offenen Mund im Zahnarztstuhl. Man sieht nur die Zähne und die Hand, die den Bohrer ansetzt. „Das wird Ihnen mehr wehtun als mir“, sagt der sadistische Zahnarzt. Doch als er kurz pausiert, schreit der Patient: „Um Gottes willen, hören Sie jetzt nicht auf!“ Der Patient ist Jack Nicholson in seinem zweiten Film, 1960, „The Little Shop of Horrors“. In seinem ersten Film, „Cry Baby Killer“, 1958, durfte er auch schon schreien und die Zähne zeigen. Diese Filme und noch vier weitere, die ins Horrorgenre fallen und von Roger Corman billig produziert wurden, sind der gerne vergessene, wichtige Anfang der Karriere von Jack Nicholson.
Denn dem am 22. April in Manhattan geborenen Darsteller fiel nichts in den Schoß. Nur mühsam hielt sich der junge Mann über Wasser, der mit 17 nach Hollywood ging, zufällig einen Job als Botenjunge in den MGM-Studios bekam und in den Pausen versuchte, einen Blick auf Lana Turner Beine zu werfen. Er nahm Schauspielunterricht, heuerte bei Corman an, der vielen späteren Stars eine Chance gab, und war mit 31 so verzweifelt, dass er schon aufgeben wollte, weil er keine gescheiten Rollen bekam. Selbst beim Casting für „Die Reifeprüfung“ unterlag er einem Off-Broadway-Theaterschauspieler. Alkohol und Drogen halfen ihm darüber hinweg – und führten zu dem Film, mit dem sein Aufstieg begann: „Easy Rider“. Zwar spielte er wieder nicht die Hauptrolle, aber als durchgeknallter Anwalt, der grinste, Dennis Hopper und Peter Fonda aus dem Knast holte und mit Helm, Sonnenbrille und Anzug mit auf dem Motorrad saß, war er nicht zu übersehen. Es brachte ihm seine erste (von zwölf) Oscar-Nominierungen ein – kein anderer männlicher Star hat mehr vorzuweisen – und gute Rollenangebote. Die er ablehnte.
Er wollte nicht im „Paten“ spielen und auch nicht den „Großen Gatsby“, das war ihm zu sehr Establishment, zu sehr das klassische Hollywoodkino, das er nicht wollte und das auch nicht zu ihm passte. Lieber nahm er Rollen an, die man speziell für ihn schrieb wie den Rebellen in „Five Easy Pieces“ (1970). Oder Rollen, die ungewöhnlich waren und seinem Hang zum Dämonischen und Überspitzem entgegenkamen wie den Detektiv in „Chinatown“ (1974), den Verrückten mit dem wilden Blick und den starken Zähnen in „Einer flog übers Kuckucksnest“ (1975), der ihm den ersten Oscar einbrachte, und den noch wilderen Hausmeister im Horrorhotelfilm in „The Shining“ (1980).
Ein Schönling wie sein Freund Warren Beatty war Nicholson nie, für romantische Rollen eignete er sich nicht so richtig, vielleicht suchte er das durch seine vielen Affären im wahren Leben zu überspielen. Doch seine beiden weiteren Oscars bekam er für Liebhaberrollen, wenn auch für ironische, in denen er sich selbst auf Schippe nahm: als überkandidelter Lebemann und Freund von Shirley MacLaine in „Zeit der Zärtlichkeit“ (1983) und als neurotischer Schriftsteller, der sich in der Komödie „Besser geht’s nicht“ (1997) in Helen Hunt verliebt.
Er selbst gefällt sich am besten als grinsender, grell geschminkter böser Clown, als Joker in „Batman“ (1989). Der Schurke stiehlt dem Superhelden locker die Schau. Cinéasten schätzen ihn noch mehr als Rentner in der Tragikomödie „About Schmidt“ (2002), wo er von ernsthaft bis komisch alle Grade der Existenz verkörpert, ohne – wie sonst gerne – zu übertreiben oder exaltiert zu wirken.
Nicholson arbeitete mit großen Regisseuren, mit Stanley Kubrick, mit Roman Polanski, Vincente Minelli und John Huston. Aber nicht um jeden Preis, denn verbiegen ließ er nicht nie. Über 70 Rollen hat er gespielt, die letzte 2010 in der Komödie „Woher weißt du, dass es Liebe ist“. Man munkelt, dass er Probleme mit dem Gedächtnis hat und sich deshalb zurückgezogen hat. Doch es geht auch das Gerücht um, dass er im US-Remake von „Toni Erdmann“ die Hauptrolle spielen will: den Mann mit den falschen schiefen Zähnen, der gerne den Clown gibt. Es würde gut zu ihm passen und den (Zahn-)Kreis schließen, der mit dem kleinen Horrorladen vor 57 Jahren begann.