Der britische Filmregisseur Ridley Scott wird 80 – „Alien“ und „Blade Runner“ gehen auf sein Konto
Einer seiner Lieblingsfilme ist Fritz Langs „Metropolis“. Das kann man sehen, im ersten „Blade Runner“, dem epochalen Science-Fiction-Film von 1984, den der Brite Ridley Scott drehte, und auch im zweiten, „Blade Runner 2049“, der in diesem Jahr ins Kino kam, den Scott nur produzierte. Weil er zu sehr mit anderen Filmen beschäftigt war, wie er sagte. Nicht schlecht für einen Mann, der heute 80 wird und einer der drei großen Weltenbauer der Kinogeschichte ist.
Gerade ist Scott damit beschäftigt, in gebotener Eile alle Szenen seines schon fertigen Films „Alles Geld der Welt“ neu zu drehen, in denen Kevin Spacey mitspielte. Spacey wird sexuelle Belästigung vorgeworfen, was Scott spontan zur wahrscheinlich radikalsten Entscheidung seiner langen Karriere führte: Alle Szenen mit Spacey als Ölmilliardär werden neu gedreht, und zwar so schnell, dass der Film wie geplant am 22. Dezember in den USA startet, rechtzeitig zur Oscar-Saison. In dem Film geht es um den reichen Erben John Paul Getty III., der 1973 entführt wurde und dem ein Ohr abgeschnitten wurde.
Wer denkt, dass so ein reales, bodenständiges Thema nicht zu dem gelernten Szenenbildner passt, der mit seinen Science-Fiction-Filmen „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ die Filmwelt nachhaltig veränderte, der vergisst, dass Scott auch das Frauen-Roadmovie „Thelma & Luise“ (1991) drehte (1991, zwei Frauen erschießen eine Vergewaltiger, das erklärt Scotts verhalten gegenüber Spacey) und den realistisch-düsteren Polizeifilm „Black Rain“ (1989), den Monumentalfilm „Gladiator“ (2000) und spannenden Kriegsfilm „Black Hawk Dawn“ (2001), den Wein-und-Provence-Film „Ein gutes Jahr“ (2006), um nur ein paar seiner über 40 Filme als Regisseur zu nennen (als Produzent bringt er es auf über 120). Dreimal war er schon für den Regie-Oscar nominiert, bekommen hat er ihn nie. Man kann ahnen warum: Die besten Szenen in seinen Filmen sind die, in denen die Schauspieler stumm sind und sich allein durchs Leben und die fantasievollen, beeindruckenden Welten schlagen müssen, die Scott ihnen einrichtet: „Der Marsianer“ (2016) pflanzt Beete auf dem Mars in einem Zelt, der Replikantenjäger Decker jagt Robotermenschen in einer Zukunftsstadt, der Gladiator kann mit seinen Widersacher auch keine langen Gespräche führen. Ripley, die „Alien“-Heldin muss still sein, um diesen „Hai im Weltall“ (wie Scott seinen Film einmal charakterisierte) nicht zu verärgern. Und selbst Thelma und Luise reden wenig, dafür lachen sie viel. Ridley Scotts Filme leben von der Optik, eindeutig. Da kann es der 1937 in South Shields geborene Sohn eines Berufsoffiziers mit den beiden großen Visionären der Stummfilmzeit aufnehmen. Mit Georges Méliès und Fritz Lang, die neue Welten für die Ewigkeit schufen. Hinzu kommt Scotts Gespür für Spannung, für raumgreifende Massenszenen, für Farben, Formen und die Begrenzung des Bildausschnitts auf das wichtige Detail. Egal, ob es sich um pure Phantasie und Filme über reale Begebenheiten handelt.
Ohne Scott gäbe es die starke Frau im Actionkino nicht. Vor Scott gab es keine ernst zu nehmenden Kämpferinnen im Kino, nur lächerliche wie in „Barbarella“. Im Drehbuch war Ripley, die Hauptfigur in „Alien“ ein Mann. Scott machte eine Frau daraus, weil er seine Mutter, mit dem Ridley eine Spielfilm- und eine noch erfolgreichere Werbefilmfirma gründete) Vater und Mutter zugleich war, während der Vater kämpfte, wie er einmal bekannte. Nicht alle seine starken Frauen kamen gut an, die Soldatin Jane in „Die Akte Jane“1997) war einer seiner Misserfolge an der Kinokasse – wie anfangs auch „Blade Runner“, der erst im Director’s Cut von 1992 zum Erfolg wurde. Der vielseitigste Regisseur der Tonfilmzeit seit John Ford, der 1965 eher zufällig mit einem Kurzfilm ins Metier rutschte, nimmt seine Flops bei den Filmen und den Oscars gelassen hin: „Ich bin Brite. Briten erwarten nichts. Sie sind dankbar auf der Welt zu sein“.